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Wo Spazieren aufhört und Wandern anfängt

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Wo Spazieren aufhört und Wandern anfängt

Als Geschäftsleiter der Schweizer Wanderwege werde ich oft gefragt, wie Wandern eigentlich definiert wird und wodurch es sich vom Spazierengehen unterscheidet. Die Leute erwarten, dass ich dazu eine abschliessende Erklärung habe – habe ich aber nicht. Obschon ich schon viel darüber gebrütet habe, ist mir noch keine ultimative Wanderformel eingefallen.

Die Dauer eines Fussmarsches alleine macht noch nicht den Unterschied: Auch ein Spaziergang kann zwei, drei Stunden dauern. Die Topografie hilft ebenfalls nicht weiter: Zwei Drittel unseres Wanderwegnetzes sind gelb markiert, was bedeutet, dass auch im Flachland gewandert werden kann. Wer sich allerdings auf diesen Wegen bewegt, ist noch nicht unbedingt ein Wanderer oder eine Wanderin. Da sind auch Joggerinnen, Hündeler, Leute mit Kinderwagen oder eben Spaziergängerinnen unterwegs. 

Zwei Aspekte zur Definition von Wandern habe ich in den zehn Jahren, in denen ich für die Schweizer Wanderwege arbeite, aber dennoch gefunden:

1. Vorbereitung

Im Gegensatz zum Spazieren ist Wandern eine bewusste Aktivität, die Vorbereitung und Planung erfordert. Ich mache mir Gedanken über die Route, überlege mir, wann und mit wem ich die Wanderung unternehmen will und schaue mir die Wetterprognosen und das Kartenmaterial an. Manchmal plane ich Wochen im Voraus, manchmal nur Stunden. Ein gewisses Mass an Vorbereitung ist aber immer dabei.

2. Ausrüstung

Spazieren kann ich mit mir selber, zum Wandern gehört hingegen immer die passende Ausrüstung. Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich quasi vor meiner Haustüre auf den Aussichtsberg Blueme bei Sigriswil laufe oder in den Walliser Alpen auf das 3625 Meter hohe Gross Bigerhorn, den höchsten Wandergipfel der Schweiz, steige. Welche Schuhe ziehe ich an? Welchen Wetterschutz brauche ich? Wie viel Proviant ist nötig? Je nach dem variiert dann auch das Volumen  des Gepäcks. Ein Rucksack ist bei mir aber auf jeder Wanderung dabei.

Ich bin schon lange Wanderer, war aber nie ein Spaziergänger. Ganz anders meine Eltern. Sie mochten den gemütlichen Spaziergang und schleppten uns Kinder jeweils mit. Spass hat mir das nie gemacht. Unseren eigenen Kindern muten wir das Spazierengehen heute nur selten zu. Sie finden es mindestens so langweilig, wie ich damals. Wenn wir aber mit ihnen auf einer Wanderung einen steilen Fels erklimmen, wilde Tiere entdecken oder eine tiefe Schlucht erkunden, dann sind sie mit Feuer und Flamme dabei. Mit der Familie zu wandern, ist etwas ganz anderes, als wenn ich auf einer hochalpinen Gipfeltour unterwegs bin. Genau das ist es auch, was mich am Wandern so fasziniert: die unglaubliche Vielfalt.

Insofern ist es eigentlich müssig, nach einer abschliessenden Definition von Wandern zu suchen. Jeder und jede soll beim Wandern (oder Spazieren) Spass haben, sich sicher fühlen und vom Naturerlebnis profitieren. Dabei müssen wir respektieren, dass es nicht nur verschiedene Arten des klassischen Wanderns gibt, sondern daneben auch noch andere Formen wie Skiwandern, Velowandern oder Schlittenwandern. Das erfordert gegenseitige Rücksichtnahme, und es erfordert von allen Rücksichtnahme auf die Grundlage jeder Form von Wandern: auf die Natur.

Wo hört für dich Spazieren auf und wo fängt Wandern an?

Hast du die ultimative Wander-Formel schon gefunden? Was muss erfüllt sein, damit du am Abend stolz von einer «Wanderung» erzählst? Kommentiere! Ich bin gespannt.


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    Michael wandert

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